Mit Vision – Auf dem Weg zum Unternehmer: Interview mit Stefan Gierschke

„Kann nicht“ wohnt in der „Will-Nicht-Straße“

Bist du bereit, die Grenzen des Gewöhnlichen zu durchbrechen? Entdecke ‘Mit Vision – Auf dem Weg zum Unternehmer’, unsere exklusive Interviewreihe, die die Türen zu einer Welt voller Innovation, Kreativität und strategischer Weitsicht öffnet. Hier enthüllen Pioniere der Branche aus erster Hand die Höhen und Tiefen des Unternehmertums. Authentische Geschichten, die so greifbar sind, dass du das Gefühl hast, selbst am Tisch zu sitzen.

Heute sprechen wir mit Stefan Gierschke. Stefan ist Geschäftsführer des Finanzdienstleistungsunternehmens „Königswege“. Er hat mehr als 16 Jahre Vertriebserfahrung in der Branche – sowohl als Berater als auch als Führungskraft. Heute ist er bei „Königswege“ verantwortlich für die strategische Planung und Ausrichtung, Marketing, Produktmanagement, Vertrieb und Innendienst.

Was geht dir durch den Kopf, wenn du an Versicherungen denkst?

Hier müssen wir differenzieren. Da ich in der Branche arbeite und mich mit dem Thema nun bereits 15 Jahre intensiv beschäftige, gehen mir sehr viele positive Dinge durch den Kopf. Versicherung bedeutet für mich Sicherheit. Wenn ich an meine Familie denke, dann lässt es mich gut schlafen, dass ich beziehungsweise wir in einem Worst-Case-Szenario gut abgesichert sind. Bei einer schweren Krankheit und einer dazugehörigen Berufsunfähigkeit erhalten wir als Familie Leistungen, von denen wir leben können. Auch falls mir Schlimmeres passiert und ich von dieser Welt scheide, wird meine Familie keine finanziellen Probleme haben.

Dafür habe ich gesorgt. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit und Frieden.
Ich kann aber verstehen, dass viele ein ungutes Gefühl und sogar eine klare Unsicherheit verspüren. Vorurteile wie „die leisten eh nicht“ halten sich hartnäckig. Dazu kommen Intransparenz und Komplexität. Und wir haben nun mal in der deutschen Versicherungslandschaft auch Versicherungen, die keiner braucht. All das trägt zur Unsicherheit bei. Und das kann ich verstehen. Da gilt es in der Branche noch aufzuräumen und viele Dinge besser zu machen.

Wie bist du in die Branche gekommen?

In die Branche kam ich über meine eigene Beratung. Meine ersten Verträge unterschrieb ich recht „blind“. Ein Freund der Familie war Versicherungsvertreter der Württembergischen Versicherung. Ohne Verständnis unterschrieb ich einen Vertrag.

Im ersten Semester meines Wirtschaftsstudiums wurde ich dann durch einen Freund beraten. Ehrlicherweise war ich stolz darauf, dass ich schon einen Sparvertrag hatte; dass ich mit dem wenigen Geld als Student verantwortungsvoll umging. Aber ich verstand gar nicht, was ich da eigentlich unterschrieben hatte! Als wir dieses Produkt mal analysierten, wurde ich eines Besseren belehrt: eine klassische Lebensversicherung mit einem garantierten Zins nach Kosten von 1,16 Prozent, keine Anteile in Fonds oder ähnlichem. Dazu eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer monatlichen Rente von knapp 350 Euro mit dem Endalter 25. Dazu noch eine Unfallzusatzversicherung. Und alles in einem Betrag von knapp 25 Euro monatlich.

Alle, die etwas Ahnung von dem Thema haben, werden nun die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, eventuell auch lachen. Das war unterirdisch schlecht. Mein Interesse war geweckt. In den nächsten Semesterferien absolvierte ich ein Praktikum beim Finanzdienstleister meines Freundes und machte dort extrem viele Testberatungen. Ich ließ mich bei den Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen in der Gegend beraten. Danach nahmen wir alles fachlich unter die Lupe. Ich erkannte, dass es extreme Unterschiede gab – und was unabhängige Beratung bedeutet.
Da wurde vor allem meine soziale Ader geweckt. Mir war klar, dass ich nicht der Einzige war, der so „schlecht“ beraten war und ich den Menschen in meinem Umfeld davon erzählen musste. Und so akquirierte ich erste Kunden, ohne wirklich zu wissen, dass das mein Karriereplan war. Erst später merkte ich, dass das für mich eine echte Karriereperspektive bot. Das ist nun knapp 15 Jahre her und ich bin der Branche seitdem treu geblieben.

Oft will man den Status quo nicht verändern.
Das bedeutet aber nicht, dass es nicht geht.

Wer oder was inspiriert dich?

Mich inspiriert, nie 08/15 zu sein. Den Weg, den alle gehen, weil es „normal“ ist, ist für mich keine Option. Ich will stets neue Wege austesten. Das heißt nicht, dass ich alles auf Teufel komm raus umkrempeln muss. Ich brauche auch Routinen. Aber wenn Leute mir sagen, „das haben wir schon immer so gemacht“, und ich einfach nicht verstehe, warum, stachelt mich das an, den etablierten Weg zu hinterfragen und nach neuen Lösungen zu suchen. Oft merke ich, dass „Kann nicht“ in der „Will-Nicht-Straße“ wohnt. Das ist auch gar nicht schlimm. Oft will man den Status quo nicht verändern. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht geht. Diese Philosophien haben uns im Unternehmen sehr weit gebracht. Letztlich ist es das Geheimnis unseres Erfolges: Dinge hinterfragen und neu angehen. Darauf habe ich Bock, dafür stehe ich morgens auf.

Butter bei die Fische: Was ist der Auftrag der Finanzdienstleistungsbranche gegenüber der Gesellschaft? Wo liegt eigentlich unsere Verantwortung?

Wow, was für eine tiefe Frage. Darüber könnte man ein Buch schreiben. Ich finde, es gibt kaum Branchen und Aufgabenfelder, die eine höhere Verantwortung haben. Wir brauchen nicht zu diskutieren, dass gerade die Medizin, Forschung und Pflege einen deutlich höheren sozialen Auftrag haben. Aber den Auftrag der FDL vergisst man schnell. Kümmert sich mein Kunde nicht um seine Absicherung, hat das fatale Folgen.

Vor knapp anderthalb Jahren verstarb einer unserer Vertriebspartner unerwartet mit Ende 30 und hinterließ Frau und zwei kleine Kinder. Er hatte nicht wirklich vorgesorgt, keine Risikolebensversicherung abgeschlossen. Das stellt die Familie vor enorme Herausforderungen. Das hat mich in vielerlei Hinsicht berührt und gezeigt, wie schnell es gehen kann. Zwar kann man den emotionalen Schmerz nicht mildern. Aber man kann die finanziellen Sorgen ohne großen Aufwand heilen.

Im Falle einer Berufsunfähigkeit kann mein Kunde, auch wenn er vorher gut und viel verdient hat, in die Armut abdriften, weil das Sozialsystem ihn nur bedingt auffängt. Dazu kommt das gesellschaftliche Problem der Altersarmut. Es ist zwar medial sehr stark vertreten, dennoch gehen die meisten Menschen extrem sorglos damit um. Die staatliche Rente wird nicht reichen. Wenn mein Kunde nicht effektiv vorsorgt, dann landet er in Altersarmut. Das wünsche ich niemandem. Das hört sich an wie Schwarzmalerei. Es ist aber die Realität. Da kann ich wegschauen und sagen „ach Quatsch“. Diese Worte holen mich aber ein.

Am Ende besteht der wahre Auftrag für mich allerdings darin, diese Situation nicht auszunutzen. Mit Angst zu verkaufen, weil der Kunde sich absichern „muss“, ist dann zu einfach. Das Ganze mit einem ethischen, moralischen Kompass zu machen, der angetrieben wird von Ehrlichkeit, Transparenz und der den gegenseitigen Nutzen sucht – das ist der wahre Auftrag.

Was motiviert dich, morgens aufzustehen?

Ich wollte schon immer etwas hinterlassen. Ich habe ein Bild von meinen Enkelkindern im Kopf, die mich fragen, was ich in meinem Leben geleistet habe. Meine Antwort soll nicht sein, dass ich leitender Angestellter in einem Konzern war und viel Geld verdient habe. Ich will etwas, das für sich steht. Etwas aufbauen, das Bestand hat, etwas Großes. Dieses Bild hat mich immer angetrieben und lässt mich morgens aufstehen, egal wie früh.

Welche unabdingbaren Skills vermisst du bei vielen Vermittler:innen?

Darüber muss ich ein wenig nachdenken. Und ich hoffe, ich trete da niemandem zu nahe. Meine Beobachtung ist, dass die meisten Vermittler:innen sich zu ernst nehmen und oft alles besser wissen wollen. Die eigenen Ansätze und Philosophien sind immer das Nonplusultra. Oft spüre ich ein „Schwarz-Weiß-Denken“, in dem andere Ansätze nicht respektiert werden. Dabei führen viele Wege nach Rom. Sie alle haben ihre Daseinsberechtigung.

Dadurch wird oft mit dem Finger auf andere gezeigt und wir reden zu viel übereinander anstatt miteinander. Das würde ich gerne verändert wissen. Ein offener Austausch ist wichtig für jeden Einzelnen in der Branche.

Unternehmer:in versus Selbständige:r – wo besteht deiner Meinung nach der Unterschied?

Wie viele in der Branche hat auch mich das Buch von Robert Kiyosaki, „Rich Dad – Poor Dad“, geprägt. Unter anderem lehrt er im sogenannten „Cashflowquadranten“ genau diesen Unterschied. Der Selbstständige ist zwar für sich selbst tätig, hat keinen klassischen Chef und hebt sich dadurch von einem Angestellten ab.

Er baut allerdings zu 100 Prozent auf seine eigene Leistung. Der Unternehmer multipliziert sein Wissen und sein Netzwerk und befähigt Mitarbeiter oder Angestellte, dass auch sie seine Arbeit tun können beziehungsweise notwendige Arbeiten leisten, damit sein Unternehmen wachsen und skalieren kann. Er reproduziert ein Wissen, widmet sich dadurch auch anderen Aufgaben. Damit hat er die Chance auf deutlich mehr Wachstum und Skalierung im Unternehmen.

Wir reden zu viel übereinander anstatt miteinander.
Das würde ich gerne verändert wissen.

Wie förderst du Innovation in deinem Unternehmen?

Vor allem durch Zuhören, egal ob intern oder extern. Es geht darum, immer offen für Neues zu sein. Das ist eh Teil meiner Philosophie. Ich bin zum Beispiel mit sehr vielen Playern am Markt vernetzt. Unabhängig von ihrer „Größe“ oder ihrem Umsatz. Ich glaube, dass man von fast jedem lernen kann. Jeder macht etwas gut beziehungsweise sehr gut. Nicht immer passt es zu mir oder zum Unternehmen. Aber vielleicht auch nur aktuell nicht. Auch intern zuzuhören ist extrem wichtig. Denn Mitarbeiter kennen unsere Prozesse und Ansätze. Oft ist man selbst betriebsblind und sieht Optimierungsmöglichkeiten gar nicht. Da hilft es nicht, wenn man mit dem Mindset „Ich weiß alles besser“ herumläuft. Ich wünsche mir und fordere von meinen Mitarbeitern, dass sie mitdenken und mitgestalten. Und das wird auch sehr gut angenommen.

Inwiefern würdest du dir mehr Austausch innerhalb der Branche wünschen? Was braucht es dafür?

Ich finde, dass es mittlerweile schon recht viel Austausch gibt. Die großen Maklerpools veranstalten größere Veranstaltungen, es gibt die DKM inklusive Jungmakleraward. Ich beobachte und bin selbst involviert in einigen Runden und Gruppen von Maklern, die sich regelmäßig austauschen.

Die „großen“ Vertriebe, da wünsche ich mir mehr Austausch. Die schotten sich eher etwas voneinander ab. Sie vermitteln ihren Partnern auch immer wieder, wie krass man sich vom Markt abhebt, dass nur die eigenen Lösungen die besten sind und man von den anderen auch nicht viel lernen kann. Das ist schade, denn so ist es leider nicht. Ich wünsche mir mehr Offenheit, mehr Demut und den Mut, von anderen lernen zu wollen.

Gibt es eine Botschaft oder Erkenntnis, die du schon immer mit anderen Unternehmer:innen teilen wolltest?

Ich habe sie tatsächlich eben bereits zitiert: „Kann nicht“ wohnt in der „Will-Nicht-Straße“. Den Spruch habe ich von Bernd Stromberg. Er ist einfach, aber wahr. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich Ausreden finde, weil ich nicht aus meiner Komfortzone raus will. Geht nicht, gibts nicht! Es ist in Ordnung, die bewusste Entscheidung zu treffen, etwas nicht zu tun. Aber dann, weil man nicht will, nicht weil man nicht kann.

Diesen Spruch kennen meine Kinder auswendig. Warum? Jedes Mal, wenn sie sagen „Papa, ich kann das nicht“, frage ich: „Wo wohnt ‚Kann nicht‘?“ Danach geben sie automatisch die Antwort. Sie haben es eventuell noch nicht zu 100 Prozent verstanden. Aber das werden sie mit der Zeit. Es ist eines meiner großen Ziele, meinen Kindern beizubringen, dass sie alles schaffen können, wenn sie nur wollen.

„Ich bin fest überzeugt von meiner Dienstleitung und dem
Mehrwert, den ich dem Kunden gebe.“

Wenn du einen Wunsch an die Branche hättest, welcher wäre es?

Ich wünsche mir, dass wir mehr an einem Strang ziehen. Mehr miteinander reden, anstatt übereinander. Die Egos mal beiseite lassen. Der Kuchen ist groß genug. Jeder kann einen Teil davon haben. Und wenn er doch zu klein ist, lasst uns den Kuchen gemeinsam größer machen. Da müssen wir uns nicht streiten.

Welchen Wunsch hast du an die Politik?

Wie viele Wünsche darf ich äußern? Kleiner Spaß. Meine Ideen und Gedanken sind divers. Wenn ich mich jetzt auf die FDL konzentriere, dann wünsche ich mir mehr Sinn und Verstand in der Regulatorik. Oft stelle ich mir die Frage, wie oft das „Entscheiderteam“ beim Kunden gesessen und Praxiserfahrung gesammelt hat.

Beziehungsweise wie viele Entscheidungen auf dem Reißbrett entstehen, durch blanke Theorien und viele Annahmen. Ich würde gerne wissen, ob und von wo die Politik Feedback aus Vertrieben bekommt. Viele Themen sind gut gemeint. Zum Beispiel der Schutz der Kunden und Dokumentationspflichten. Aber die Umsetzung hinkt und ist mehr lästige zusätzliche Arbeit anstatt Erleichterung für alle Beteiligten. Vom Thema ESG darf ich gar nicht anfangen. Das ist ein einziges Desaster. Viel gut gemeinte Theorie, ganz wenig umsetzbare Praxis.

Mal ganz provokant gefragt: Enthält in deinen Augen die Aussage, dass wir in der Branche nicht den „Arsch in der Hose“ haben, den Kund:innen klar zu sagen, was wir kosten und was unsere Dienstleistung wert ist, einen wahren Kern?

Ja und Nein. „Wir“ muss natürlich definiert werden. Ich fühle mich davon nicht angesprochen, da es auf mich schlichtweg nicht zutrifft. Ich liebe diese Gespräche und diese Transparenz. Weil ich fest überzeugt bin von meiner Dienstleitung und dem Mehrwert, den ich dem Kunden gebe. Aber diese Sicherheit hat nicht jeder. Ich merke, wie sich viele zwar über Provisionen oder Honorare freuen und die Verdienstmöglichkeiten in der Branche eine große Motivationsspritze ist.

Dennoch schämt man sich gegenüber dem Kunden? Das ist doch absurd. Machen Anwälte und Steuerberater doch auch. Und da nehmen wir das als gegeben hin. Diejenigen, auf die das zutrifft, müssen sich vergegenwärtigen, was sie da leisten. Oder eben nicht leisten. Denn wenn es keine echte Leistung gibt, dann sollten sie sich auch schämen. Unterm Strich sage ich: Ja, lasst uns den „Arsch in der Hose“ haben und dazu stehen, was wir verdienen. Meine Dienstleistung hat einen Wert. Den kann ich beziffern.

Als Vorteil der Honorarberatung wird immer wieder das Thema der Stornofreiheit genannt. Siehst du dies auch so oder geht es letztendlich um andere Vorteile?

Kommt ganz auf die Perspektive an. Aus der kurzfristigen Perspektive des Beraters kann das ein wichtiger Vorteil sein. Stelle ich den Kunden und dessen Perspektive in den Mittelpunkt, ist Stornofreiheit komplett irrelevant. Der Kunde spürt den Vorteil anders.

Zum Beispiel, dass er sehr schnell eine Entwicklung in seiner Geldanlage sieht, vor allem bei Versicherungssparplänen. Da geht nicht gefühlt die Hälfte vom Beitrag erstmal für Kosten weg und hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Der Kunde sieht direkt die hoffentlich positive Entwicklung und wird dadurch auch positiv in seiner Kaufentscheidung bestätigt. Dieser Kunde denkt automatisch darüber nach, ob er noch mehr Geld anlegen möchte. Dieser Kunde empfiehlt aktiver weiter. Er verknüpft die Beratung mit positiven Erlebnissen.

Mit der Implementierung von Servicepauschalen und Honoraren soll die Wertschätzung von Kund:innen gegenüber der Arbeit von Makler:innen steigen. Woran könnte diese vermehrte Wertschätzung in deinen Augen liegen?

Ich weiß gar nicht, ob ich da der beste Ansprechpartner bin. Ich bin mir nicht sicher, ob neben der Abschlussprovision und der eventuellen Bestandsprovision das Begleichen einer weiteren Rechnung etwas mit Wertschätzung zu tun hat. Unterm Strich vielleicht schon.

Ich stehe dem Thema Servicepauschalen dennoch kritisch gegenüber. Manchmal frage ich mich, ob sie nicht auch die Gier der Vermittler stillt. Mit der Aussage mache ich mir sicher keine Freunde. Aber das Problem besteht ja meist darin, dass jeder Vermittler von sich selbst behauptet, der „beste Berater aller Zeiten“ zu sein. Er leistet den krassesten Service. Ich bin knapp 15 Jahre in der Branche, habe viel gesehen. Die allermeisten kochen nur mit Wasser. Ich sehe viel gute Außendarstellung und gutes Marketing. Oft steckt keine Raketenwissenschaft dahinter.

Ich lebe mit dem Mindset, dass für MICH die „wahre“ Wertschätzung vom Kunden nicht durch das Begleichen einer Rechnung kommt, sondern durch eine gute Empfehlung an Freunde und Bekannte. Daran merke ich, ob er wirklich mit mir zufrieden ist. Denn nur dann wird er mich weiterempfehlen.
Das ist aber nur meine bescheidene Meinung und keine allgemeingültige Wahrheit. Ich sehe eine Daseinsberechtigung in manchen Feldern, wie zum Beispiel der Umdeckung von alten PKV-Verträgen oder bei Gewerbemaklern, die einen ganz anderen Aufwand mit Kunden haben als ein klassischer Privatkundenberater. Ich bin zwiegespalten, sehe es aber als interessantes Feld an.

„Ich lebe mit dem Mindset, dass für mich die „wahre“ Wertschätzung vom Kunden nicht durch das Begleichen einer Rechnung kommt, sondern durch eine gute Empfehlung an Freunde und Bekannte.“

Häufig liest man: „Die Akzeptanz der Honorarberatung hält sich in Deutschland bei Verbrauchern immer noch in Grenzen“. Was ist deiner Meinung nach der Grund, weshalb die Honorarberatung wenig Nachfrage erhält?

Ich glaube nicht mal, dass das stimmt. Ich würde den Satz umformulieren. „Die Akzeptanz der Honorarberatung hält sich in Deutschland bei Vermittler:innen immer noch in Grenzen.“ Der Kunde kann nur das abschließen und sieht nur das Vergütungsmodell, das er angeboten bekommt. Und wenn die Masse der Vermittler:innen sich vorab entscheidet, den Kunden gar nicht über seine Optionen aufzuklären, dann liegt das nicht am Kunden.

Was muss den Makler:innen bereitgestellt werden und was brauchen sie von außen, um nicht nur von der Honorarberatung zu träumen, sondern sie zu leben?

Da viele, wie auch ich früher, gewisse Hürden im Kopf haben, braucht es aus meiner Sicht eine saubere Grundausbildung. Auf der einen Seite fachlich und inhaltlich. Da sehe ich keinen großen Engpass. Das ist Fleißarbeit. Vertrieblich ist es schwieriger. Dem Kunden das zu erklären beziehungsweise zu „verkaufen“ ist die größere Herausforderung. Und da geht es meistens eher darum, die Hürden im Kopf abzubauen. Denn es funktioniert, man muss sich nur damit auseinandersetzen. Ich sehe bei diesem Thema den Engpass auch nicht als etwas, was man „von außen“ steuern kann. Wissen kann man vermitteln. Einstellung und Motivation nur bedingt. Und „Kann nicht“ wohnt bekanntlich in der „Will-Nicht-Straße“. Wer das wirklich umsetzen will, der wird damit erfolgreich werden.

Ein Argument für „hohe“ Courtagen lautet: Die Vermittlerschaft in der Masse benötigt die hohen Abschlusscourtagen, da sie im Schnitt im Verhältnis zum Aufwand und der Haftung wenig verdienen. Provokant gefragt: Wenn mein Einkommen nur an den Erfolg (der Vermittlung) geknüpft ist bzw. ich nur Geld erhalte, wenn ich vermittle und ich nicht für die Stunde Arbeit, in der ich Mehrwerte schaffe – ist das Bezahlungssystem dann überhaupt das richtige?

Ich liebe diese Frage. Pauschale Aussagen sind immer schwierig. Letztendlich entscheidet der Berater durch sein Handeln, ob es das richtige oder falsche System ist. Klar, schaue ich als Berater ausschließlich auf die Höhe der Provision, dann halte ich das auch für das falsche System. Nehme ich als Berater die Perspektive ein, dass ich den Kunden zu dessen Nutzen beraten möchte und die Höhe der Provision zweitrangig ist, dann kann es das richtige System sein. Wenn der Kunde zufrieden ist und merkt, dass der Berater nicht nur aus Eigennutz handelt, dann empfiehlt er seinen Berater weiter – damit verdient der Berater am Ende mehr. Und dann ist es auch das richtige Bezahlsystem.

Ich kann das Spiel auch umdrehen. Ein Honorarberater kann einen Kundenfall auch künstlich in die Länge ziehen, ihn komplexer machen als er eigentlich ist. Das kann ein Kunde auch nur bedingt sehen oder verstehen. In dem Fall kann auch dieses System das „falsche“ sein.

Nur richtig und nur falsch gibt es hier für mich nicht. In beiden Fällen sehe ich die Verantwortung beim Berater. Und eventuell ist genau dieser Faktor das schwierige an der Fragestellung.


In der Interviewreihe ‘Mit Vision – Auf dem Weg zur Unternehmer:in’ erfährst du alles Entrepreneurship, die Zukunft des Vertriebs und deine eigene Rolle. Hier ist kein Platz für Schubladendenken oder Standardantworten. Ganz im Gegenteil: Innovation und Weitsicht stehen im Mittelpunkt dieser packenden Gespräche!

Über die Autoren:
Stephan Busch ist Versicherungsmakler und Inhaber von PROGRESS Finanzplaner. Tim Schreitmüller ist digitaler Stratege mit Versicherungs-Know-how von der LV 1871.

Über den Interviewpartner:
Stefan Gierschke (40) ist Geschäftsführer des Finanzdienstleistungsunternehmens „Königswege“. Er ist dort verantwortlich für die strategische Planung und Ausrichtung, Marketing, Produktmanagement, Vertrieb und Innendienst. Zuvor studierte Stefan Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim, außerdem hat er über 16 Jahre Vertriebserfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche in verschiedenen Positionen als Berater und Führungskraft. Er ist Vater von zwei Kindern.

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