Klaus Möller im Interview zur Honorarberatung

Klaus Möller in der Interview-Reihe zur Honorarberatung

„Einen Provisionsdeckel halte ich für sehr wahrscheinlich“

In unserer brandneuen Interview-Reihe „Mit Vision – über die Lage der Honorarberatung“ unterhält sich Versicherungsmakler Stephan Busch mit Köpfen aus der Versicherungsbranche zum Thema Beratung und Vermittlung gegen Entgelt. Die Interviews liefern Denkanstöße und skizzieren Folgen, Risiken und Chancen der Honorarberatung. Den Auftakt macht Klaus Möller, Vorstand des Defino-Instituts für Finanznorm.

Stephan Busch: Was geht dir durch den Kopf, wenn du an Versicherungen denkst?

Klaus Möller: Versicherungen sind Versprechen auf die Zukunft, und zwar regelmäßig auf Momente in der Zukunft, in denen irgendetwas für die Käufer anders als optimal gelaufen ist. Gerade deshalb ist für Menschen, die mit Versicherungen handeln, Vertrauen das allerhöchste Gut. Und gerade da haben wir noch Potenzial und strengen uns zu wenig an, das auszuschöpfen.

Busch: Wofür bist du besonders dankbar?

Klaus Möller: Für die Liebe meiner Frau und meiner Kinder.

Busch: Was wird deiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren zum Thema Vergütung auf die Versicherungsbranche zukommen?

Klaus Möller: Ich gehe fest davon aus, dass Bewegung in das Thema „Provision“ kommen wird. Anders als in der Vergangenheit sitzen für die nächsten fünf Jahre mehrheitlich Minister am Kabinettstisch, deren Parteien eine kritische Position zu Provisionen einnehmen. Zudem kommt diesbezüglich auch Druck aus Europa: Die Chefin der Aufsichtsbehörde Eiopa, Petra Hielkema, kommt aus den Niederlanden – einem Land mit Provisionsverbot. Letzteres wird in Deutschland wohl nicht durchsetzbar sein – zu Recht, denn es ist ein Irrglaube, man könne über die Änderung des Vergütungssystems Qualitätsprobleme lösen. Dafür braucht es verbindliche Prozesse wie unsere DIN-Normen. Aber einen Provisionsdeckel halte ich für sehr wahrscheinlich.

Busch: Die Angst vor sozialer Spaltung bei Einführung von Provisionsverboten wird immer wieder genannt. Richtet sich die Honorarberatung nur an vergleichsweise vermögende Kundinnen und Kunden?

Klaus Möller: Tatsache ist, dass Provisionen durchaus soziale Aspekte haben. Denn über Provisionen subventioniert zum Beispiel der Chefarzt mit seinem hohen Abschluss für die private Altersvorsorge die Beratung für die Krankenschwester mit einem deutlich geringeren Abschluss. Die für den Abschluss der Krankenschwester notwendige Beratung wird allerdings vermutlich nicht weniger aufwendig sein als die für ihren Chef. Hinzu kommt, dass sich bei einem reinen Honorarsystem nur wenige den Luxus werden leisten können, mehrere Meinungen einzuholen. Denn die kosten dann jede Menge Geld, bei Provisionsvergütung kostet nur der Kauf. Ich denke es wird wichtig sein, dass beide Systeme nebeneinander bestehen bleiben.

Busch: Mal ganz provokant gefragt: Enthält in deinen Augen die Aussage, dass wir in der Branche nicht den „Arsch in der Hose“ haben, der Kundschaft klar zu sagen, was wir kosten und was unsere Dienstleistung wert ist, einen wahren Kern?

Klaus Möller: Nein, ich denke vielmehr, dass die ganze Diskussion über Vergütungen in unserer Branche völlig fehlgeleitet ist. Natürlich wissen die Menschen, was die Versicherung oder die Anlage kostet, zu der ihnen geraten wird. Genauso wie die Kunden im Baumarkt wissen, was die Bohrmaschine kostet, die sie kaufen. Wie viel von dem Preis an den Hersteller geht und wie viel bei dem Baumarkt bleibt, dessen Mitarbeiter den Rat zu dem gekauften Produkt gegeben haben, weiß der Kunde auch nicht. Wenn der Verkäufer zu einem guten und günstigen Produkt rät, hat er verdient, dass da womöglich eine höhere Marge drin ist als in einem anderen. Übrigens wissen gesetzlich Krankenversicherte auch nicht, was ihre Ärzte kosten. Und keiner weiß, wie viel der Apotheker an der verschriebenen Medizin verdient.

Busch: Warum arbeiten nahezu alle Gewerbe und Dienstleistungen – Handwerker, Steuerberater, Coaches, Anwälte und so weiter – auf Rechnung, nur die Versicherungsbranche nicht?

Klaus Möller: Die Aussage, die in der Frage steckt, stimmt ja nicht. Es arbeiten nur diejenigen auf Honorarbasis, bei denen meistens an die erbrachte Dienstleistung kein Produktverkauf gekoppelt ist. Versicherer sind Produzenten, und sie wollen wie ganz viele andere Branchen ihre Produkte verkaufen; das ist legitim. Und überall da, wo Produkte verkauft werden, nimmt man nicht auch noch Honorar. Ausnahme: Handwerker verdienen an Dienstleistung und vermittelten Produkten. Ist das gut für die Verbraucher?

Busch: Als Vorteil der Honorarberatung wird immer das Thema der Stornofreiheit angesprochen. Siehst du das auch so oder geht es am Ende um andere Vorteile der Honorarberatung? Haben gute Maklerinnen und Makler überhaupt dieses Risiko?

Klaus Möller: Natürlich haben auch gute und redliche Makler und Vermittler ein Stornorisiko. Wenn du in einem Unternehmen eine bAV platziert hast und das Unternehmen geht durch die Folgen von Corona und/oder des Krieges in der Ukraine pleite, dann ist das nicht dein Versagen. Genauso wenig wie der Mercedes-Händler etwas dafür kann, dass der Unternehmer sich jetzt seine neue S-Klasse nicht mehr leisten kann. Muss der Händler für den Wertverlust aufkommen, den der Wagen in der Zwischenzeit erlitten hat, wenn er ihn wieder auf den Hof gestellt bekommt? Die Stornohaftung in unserer Branche ist überdreht und insofern ist es nachvollziehbar, dass Makler nach Vergütungsformen suchen, die davon frei sind.

Busch: Standardisierung versus Honorarberatung – was haben beide neben der Endung „ung“ gemeinsam?

Klaus Möller: Eine Finanzanalyse nach DIN-Norm ist frei von dem Generalverdacht, dem Makler und Vermittler regelmäßig unterliegen, dass sie ihre eigenen Interessen vor die der Kunden stellen. Das Ergebnis einer Analyse nach Norm ist unverfälscht kundenorientiert, neutral und nicht interessengesteuert. Deshalb wird sie von den Verbrauchern – anders als nicht standardisierte, also unternehmens- oder verbandsinterne Analyseansätze – nicht als Verkaufsanbahnung, sondern als per se vergütungswürdige Dienstleistung wahrgenommen. Sie erleichtert damit den Vermittlern den Einstieg in die Honorarberatung.

Busch: Liefert das sogenannte Mischmodell in der Honorarberatung, bei dem der Kunde oder die Kundin aussuchen kann, welche Vergütung er oder sie bei einem bestimmten Thema haben möchte, am Ende des Tages weder der Maklerschaft noch den Verbrauchern nachhaltig einen Mehrwert?

Klaus Möller: Ich halte das Mischmodell für einen guten Ansatz. Wenn ein Kunde zu dir kommt, weil er nach dem Erwerb einer Immobilie eine Gebäudeversicherung benötigt, dann geht es um Produktauswahl und -verkauf und dann ist es völlig okay, dass die Vergütung im Produkt steckt. Wenn eine ganzheitliche Analyse – am besten nach Norm – ansteht und offen ist, ob es am Ende überhaupt etwas zu verkaufen gibt, oder wenn der Berater sich die Offenheit erhalten möchte, am Ende einer Existenzgründungsberatung dem Kunden gegebenenfalls aus gutem Grund und ehrlich von der geplanten Gründung abzuraten, dann ist ein Honorar die sachgerechte Vergütung.

Busch: Was muss den Maklerinnen und Maklern bereitgestellt werden? Beziehungsweise was brauchen sie von außen, um nicht nur von der Honorarberatung zu träumen, sondern sie zu leben?

Klaus Möller: Die Honorarberatung ist weder Popanz noch Allheilmittel. Am wichtigsten wird daher sein, sie zu entmystifizieren. Wenn das gelingt, wird sie aus guten Gründen neben der Courtage ihren Platz im Makler- und Vermittleralltag finden.

Busch: Was brauchen Makler, um erfolgreich Umsätze in der Honorarberatung zu generieren?

Klaus Möller: Sie brauchen Dienstleistungsangebote, die nicht als Verkaufsanbahnung, sondern als für sich genommen honorarwürdig kommunizierbar sind und von den Kunden auch leicht so angenommen und wahrgenommen werden. Ein Beispiel sind tatsächlich die ganzheitlichen Finanz- und Risikoanalysen für Privathaushalte sowie für Selbstständige und kleine und mittlere Unternehmen nach den einschlägigen Normen.

Busch: Die Akzeptanz der Honorarberatung hält sich in Deutschland immer noch in Grenzen. Ein Problem, das sich aus Sicht vieler Honorarberaterinnen und -berater nur mit Kommunikation lösen lässt. Welche weiteren Ansätze und Lösungen siehst du hier?

Möller: Tatsächlich wird es ein langwieriger Kommunikationsprozess sein, den Verbrauchern klarzumachen, dass Finanzberatung nicht nur Verkaufsanbahnung ist, die richtigerweise über die verkauften Produkte vergütet wird, sondern dass sie eine von den möglicherweise im Anschluss vermittelten Produkten unabhängige Dienstleistung ist. Das Problem: Die ganze Kommunikation wird nichts nützen, wenn Finanzberatung – egal ob durch Courtage oder Honorar vergütet – weiterhin nichts anderes ist als Produktverkauf. Du kannst nicht erfolgreich kommunizieren, du seist ein Berater, wenn du weiter als Verkäufer agierst. Auf solche Art von „Windowdressing“ reagieren Verbraucher und Verbraucherschützer gerade gegenüber unserer Branche hochempfindlich.

Über den Interviewpartner:

Klaus Möller ist seit 1990 Gestalter der Finanzbranche und ist aktuell Obman im DIN-Ausschuss „Finanzdienstleistungen für den Privathaushalt“, Mitglied im Beirat des Normenausschusses Dienstleistungen und Vorstand des Defino-Instituts für Finanznorm.

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